Ein heißer Ritt (Death Valley Sommerfrische dagegen)
Autor: Erik Heinrich
Oft werden wir gefragt, wie läuft eigentlich so ein Wanderritt? – Zum Beispiel so (Hier die Kurzversion des Rittberichts, die lange gibt es auf der Seite vom VFD-Berlin-Brandenburg):
Wie, schon wieder ein Havellandkurier, der fünfte inzwischen? Ist das nicht langweilig? Nee, du, kann ich schon mal vorweg sagen, nicht die Bohne. Langeweile kam wohl bei keinem Teilnehmer zu keinem Zeitpunkt auf. Denn erstens hat die Organisatorin Susanne von Gersdorff (im folgenden als „Susanne“ bezeichnet) den Ritt abermals einem totalen Relaunch unterzogen, ihn also mit anderen Streckenabschnitten, verbesserten Quartieren und neuen „Erlebniswertsteigerungen“ aufgemöbelt. Und zweitens ist eine neu gemischte Gruppe auch ein neues zwischenmenschliches und „zwischentierisches“ Abenteuer. Um es vorweg zu sagen: Sehr nette Teilnehmer, gutes reiterliches und kameradschaftliches Niveau, einmal von den üblichen kleinen gruppendynamischen Krisen abgesehen, die jedoch alle glimpflich ausgingen.
Gibt es einen Wanderritt bei perfektem Wetter? Ja, so häufig wie ein rittiges Flusspferd. Also, es war ein Wanderritt mit tollem Wetter, na ja, so perfekt wie es möglich ist auf diesem Planeten, nämlich sonnig, warm, leichte Brise; allerdings mit Tendenz zu zunehmender Hitze und Schwüle bis zum Schluss-Gewitter.
Nun aber von Anfang an! Es ging los auf der „Big DD Ranch“ in Steckelsdorf bei Rathenow. Auf der geräumigen Weide wächst Paddock an Paddock, Zelt an Zelt, ein Nomadendorf entsteht. Alte Freunde begrüßen sich, neue Bekanntschaften werden geschlossen. Nach gründlichem Abendessen und der traditionellen Begrüßung und der Vorstellung des Teams durch Susanne entfacht Rancher Hartmut das erste in einer Serie allabendlicher Lagerfeuer.
Gleich der erste Reittag, Sonntag, bietet den Teilnehmern, die in mehreren Reitgruppen und per Shetty-Gespann mit zwei Kutscherinnen unterwegs sind, lockere Waldwege und (ja, leider geht es nie ganz ohne) ein Stück Asphalt am Vormittag, sowie Deiche ohne Ende am Nachmittag, die zu ausgiebigen Galopps einladen. Immer flussabwärts an der sanft und bräsig durch ihren Schilf- und Strauchgürtel fließenden Havel entlang!
Der darauffolgende Montag führt uns wieder über Deiche am Ornithologen-Mekka Gülper See entlang über Rhinow nach Stölln. Wir binden die Pferde am Rande des ältesten Flugplatzes der Welt an, wo nämlich Otto Lileinthal etliche seiner Flugversuche vom 100 Meter hohen Gollenberg startete – leider auch seinen letzten, bei dem er tödlich abstürzte. Etappenziel: der „Eichenhof“ der Familie Orgis. Camping auf einer weiten Wiese; auf der einen Seite wiehern edle Shagya-Araber-Hengste, auf der anderen schlendern Ungarische Steppenrinder durch die Weiten von Wutzetz im Abendlicht.
Frühstück und Abritt am Dienstag, dem dritten Reittag, gehen wie immer zügig und fast beängstigend diszipliniert, aber ohne Hektik vor sich. Zeitiges Abreiten sichert die schönsten Plätze in feinster Natur. Es lohnt sich, denn am Vormittag steht eine göttliche Waldstrecke bevor. Fliegende Pferde und von den Reitern fliegen Stress, Sorgen und Probleme davon.
Auch an diesem Tag kommen alle Huftiere und Zweibeiner gut an. Die Pferde machen zur Halbzeit durch die Bank einen frischen und zufriedenen Eindruck. Wir können mal wieder erleben, dass die Steppennomaden, aus denen unsere Reitpferde gezogen sind, vom Pony bis zum Kaltblut, dazu geschaffen wurden, 30 oder 40 Kilometer am Tag zurück zu legen. Es macht Spaß zu sehen, wie die Pferde von Tag zu Tag nicht abbauen, sondern aufleben.
Schlussspurt am Saum der Start- und Landebahn unseres nächsten Abendziels, dem Flugplatz Bienenfarm, vorbei an spielerisch durch die Luft tobenden Milanen. Und dann sind immer noch ein paar hundert Meter Wiese übrig zum Trockenreiten im Havellandwind, der hier fast rund ums Jahr durchpustet. Oh wie köstlich der Komfort, kühle Pferdedusche, heiße Menschendusche (ganz exklusiv im „Pilotenzimmer“), Terrassenplatz unterm Sonnenschirm und delikate Erfrischungen, ich sag mal’n Beispiel: Sanfter Engel (Orangensaft, Eiskugel).
Der vierte Ritttag, Mittwoch: Endlose Luchwiesen, die weiten Blicke und dann wieder die verschrobenen Dörfer und die verschreberten Gärtchen.
Es ist heiß an diesem Mittwoch. Verdammt. Sengend. Heiß. Und es gibt wenig Schatten an diesem Nachmittag. Wir machen es, wie Susanne es am Vorabend angeraten hat: Trinken, trinken, trinken und bei jeder Gelegenheit die Pferde tränken (auch Pfützen sind gut) und Nüstern, Hals, Bauch mit kühlem Wasser abschwämmen. Das Team richtet eine zusätzliche Pausenstation mit Getränken für Rosse und Reiter ein und das ist auch gut so! Schließlich treffen alle Pferde und Menschen wohlauf am Ziel, dem Nennhof in Gräningen, ein. Obwohl: die Pferde machen einen deutlich frischeren Eindruck als die Reiter.
Nun, was die ReiterInnen betrifft: Selbstgebackener Käsekuchen, am Abend ebenfalls selbst gefertigte köstliche Pizza und Kaltgetränke, bevorzugt Bier, helfen! Manche Teilnehmer verbringen den Rest des Tages in dem kleinen, sauberen Pool.
Selbstverständlich ist auch in diesem Jahr die „Bar Zum Letzten Hänger“ und ihr reizender Gastgeber Andreas Dreh- und Angelpunkt des Lagernachtlebens – jetzt neu! – mit Solarlämpchen-Beleuchtung an den Heringen der Abspannleinen des Vordachs! (Wer da noch stolpert, hatte zu viel „Jagdtrost“.)
Pool und Strandkorb sind auch bevorzugte Ziele am kommenden Pausentag, Donnerstag, den wir auf dem Nennhof verbringen. Gestern: Natur-Hammer. Heute: Over-Chill!
Am nächsten Morgen, Freitag, geht es weiter, nach wunderschönen beschatteten Waldwegen wieder zur Havel, unserem Leitstrom, leider viel über Straßen durch das am Freitagmittag belebte Premnitz. Doch unsere Pferde reagieren inzwischen mit großer Gelassenheit auf keuchende LKW und rasende Handwerker.
An der Havelbrücke von Milow halten wir Mittagsrast mit Picknick und herrlich erfrischendem Bad in der Havel. Und Endspurt auf der langen, langen „Landebahn“ dem schnurgeraden Waldweg durch die Kattenberge, den die Pferde willig und munter im Galopp unter die Hufe nehmen. Ja, Glückshormone, kommt noch einmal rüber! Eine Stunde darauf landen die ReiterInnen erschöpft, aber glücklich am Start- und Zielpunkt DD-Ranch Steckelsdorf.
Und alle sitzen am Abend wieder am Lagerfeuer, um sich noch einmal gegenseitig die Abenteuer der vergangenen Tage haarklein zu berichten und neue, aufregende Ritte zu planen.
Der Veterinärcheck am nächsten Morgen, Samstag, beweist noch einmal, wie gut die Reitwanderung den Pferden tat – alle o.k.!
Natürlich sind wir bei Abschied und Abreise alle sentimental, aber eine Mehrheit von ca. 100% freut sich schon tierisch auf den nächsten Havellandkurier!
Erik Heinrich
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